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Endstation Amerika

Diese Koproduktion mit den Salzburger Festspielen ist eine Bearbeitung von Frank Castorf von "Endstation Sehnsucht - A Streetcar named Desire" des amerikanischen Autors Tennessee Williams, Jahrgang 1911.

"Endstation Sehnsucht", uraufgeführt 1947, ist ein früher uramerikanischer Beleg für die Gesellschaftsdiagnose des Brian Massumis: "Das individuelle Leben ist eine serialisierte kapitalistische Miniaturkrise, ein Desaster, das Deinen Namen trägt". Das Stück stellt die Frage, wie viel Lüge und Selbsttäuschung nötig sind, um dieses Desaster zu ertragen. Verwahrlosung und Lebensgier, Paranoia und Depression liefern die Koordinaten. In so einem System gibt es keine Sicherheit und keine Erfüllung. Haltbar ist nur die Sehnsucht - und die Liebe, sofern sie unglücklich bleibt. Niemand kommt da lebend raus. Das gilt für die traumatisierte Lehrerin Blanche Dubois, die in eine Traumwelt flüchtet, weil sie die Realität pur nicht ertragen kann, genauso wie für das "Tier" Stanley Kowalski, der sich buchstäblich durchschlägt, ihre Schwester Stella, die sich in ihrer sklavischen Abhängigkeit zu Stanley eingerichtet hat, und auch für Mitch, Stanleys schüchtern unbeholfenes alter ego. "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs", Männer kurz vor der Bewusstlosigkeit.

Williams Figuren sind individuell gezeichnete Prototypen zwischen Enteignungsangst und Größenwahn. Über ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung und 40 Jahre nach seiner Verfilmung in Hollywood hat das Stück fast nichts von seiner zeitdiagnostischen Kraft verloren. "Endstation Sehnsucht" ist eine Demonstration von Kranken für Kranke, deren Krankheit auch darin besteht, nicht zwischen gesund und krank unterscheiden zu können. Semantisch und formal aber strotzt dieses Werk, das zu den besten Theaterstücken des Jahrhunderts gezählt wird, vor Gesundheit. "Das lässt hoffen", meint die Dramaturgie der Volksbühne.

Es spielen: Brigitte Cuvelier, Henry Hübchen, Fabian Hinrichs, Birgit Minichmayr; Silvia Rieger und Bernhard Schütz
Regie: Frank Castorf

"Das Überraschende an dieser Inszenierung ist, dass sich Castorf, als sei er um Werktreue bemüht, fast sklavisch an diese Vorgaben hält - mit der Einschränkung allerdings, dass alles, was die Figuren psychologisch motivieren soll, gewissermaßen von ihnen abgelöst wird. Damit wird ihnen zugleich die vorbestimmte Gefühlslage entzogen, und die Fronten des Konflikts verschieben sich: Was bei Williams säuberlich getrennt sich gegenübersteht - hier der ,Täter Stanley, dort das ,Opfer Blanche, zwischen ihnen die schwangere Stella -, verläuft nun quer durch jede einzelne Figur." (freitag)

"Nach alter Manier in die Vollen greift Frank Castorf (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin), der Tennessee Williams Neurosen-Klassiker ,Endstation Sehnsucht durchnahm, in ,Endstation Amerika umtaufte (wegen einer Erben-Klage) und die verkehrte Williams-Welt noch dreimal auf den Kopf stellte, bis sie formschön nach Berlin passte. Castorf, wie man ihn kennt: gestern noch Revoluzzer, heute schon Klassiker; oder fast. Auch hier fand letztlich und vor allem Schauspieler-Theater (mit den Volksbühnen-Stars Henry Hübchen und Kathrin Angerer) mit Geschichten aus dem Innenleben statt." (NZZ)

"Williams virtuose Entblätterung dauerdepressiver Gänseblümchen als von Lebensgier, Einsamkeits- und Existenzängsten getriebene Dauergedemütigte ist weltweit allgegenwärtig. Es sind Verliererschicksale zwischen Sozialhilfe und Gelegenheitsjobs, die vor den unerträglichen Realitäten flüchten in Lüge, Wahn, Gewalt, Drogen, Sex. Castorf macht daraus weder ein Anklagestück auf der Sozialstation noch interessieren ihn sonderlich die Redeschlachten des Neurosenkollektivs auf der Psychocouch des Tennessee Williams. Der Regisseur holt einfach dessen Depri-Team in seine Castorf-WG. Dort verdämmern sie ihren trüben Alltag beim Pokern, Picheln, Vögeln. (...) So sehr wir uns mitunter langweilten, wenn Castorfs Liebe zu den Details ins Pingelige entartete und die zugegeben sinnfälligen Alltäglichkeiten die Szene überwucherten: Diesmal gelingt es ihm hoch konzentriert, die Dinge des Lebens mit leichtester Hand in einen Sehnsuchts-Comic zu pressen. Mit viel Musik und Gesang, Berliner Ballermanngedöns und schnoddrigem Kuschelbetrieb. Zwischen roh und zart geht es rauf und runter, kreuz und quer. Und immer wieder fallen die Figuren aus der prolligen Rolle in ihre Menschheitsschmerzen - ohne dass auch nur einer im sensationellen Ensemble zu dick aufträgt: eine Reality-Soap, die permanent ins Irreale zu kippen scheint, verrücktes, entrücktes Volks- und Elitetheater, passend für Salzburg - wie von Mozart. Denn Williams Bruder im Geiste, nämlich Strindberg, wird ziemlich beiseite gedrängt zugunsten Tschechows. Selten sahen wir den Regisseur und seine köstliche Startruppe so gelöst und gelassen im Umgang mit dem Schlimmen, das im Komischen wuchert." (Die Welt)

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Kultur > Theater

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