Es ist kaum hundert Jahre her, da war die Wahrnehmung körperloser Stimmen sicheres Zeichen, den eigenen Wahnvorstellungen erlegen zu sein. Inzwischen sind wir umstellt von einem Arsenal körperloser Stimmen, die uns kaum mehr verunsichern oder gar erschrecken. Wir sind geübt darin, den medialisierten und elektronisch erzeugten Redeströmen einen Sinn zu entnehmen und darüber die grundsätzliche Gewissheit einer Identität von Körper und Stimme nicht zu verlieren.
Doch was geschieht, wenn diese Einheit nachhaltig gestört wird? Wie lange funktionieren die Mechanismen, die man erfindet, um über alle Irritationen hinweg dennoch sinnhaft wahrzunehmen? Und was geschieht mit dem Sinn, wenn jene schließlich doch nicht mehr greifen? Ausgehend von »wahnhaften« Niederschriften, welche das irritierende Auseinanderdriften von Körper und Stimme artikulieren, verwandelt das Regieduo Auftrag : Lorey das Theater in einen Wahrnehmungsapparat, der damit spielt, wovon diese Stimmen sprechen: mit der Sehnsucht nach einem Standpunkt, der weniger festlegt als auslöst; einem Körper, der weit mehr ist als das Bild, als welches er sich zeigt; einer Identität, die sich nicht in der Reduktion auf das Wesentliche erschöpft.
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