Ein sowjetischer Dissident auf der Flucht vor dem KGB, enttäuscht von der Herzenskälte des New Yorker Alltagslebens, verfasst eine fiktive Autobiographie, einen wilden Gesang von Einsamkeit, schlechtem Sex und Extasezwang. In den Achtzigerjahren galt Eduard Limonow als international gefeierter Jungschriftsteller. Krude Pornographie, grobe Hassanfälle und empfindsames Schaudern waren seine Markenzeichen. Im postsowjetischen Russland setzte er sein ästhetisches Programm der Selbststilisierung als Politiker fort, gründete eine Nationalbolschewistische Partei, versprach seinen Anhängern "ein Leben in Gefahr, jeden Tag", und wanderte in den Knast.
Eduard Limonow feiert die Asozialität als heilige Handlung, den politisch-erotischen Affekt als Gesamtkunstwerk. Das Risiko, dabei zum politischen Untier zu werden, geht er dabei gerne ein. Seine Partei hat sich die Gründung eines neuen Reiches freier Menschen auf die Fahnen geschrieben, voll kraftstrotzender Krieger, zu denen sich aus "untrüglichem weiblichen Instinkt" wie von selbst "gesunde, attraktive Frauen" gesellen sollen, um der Welt eine neue Rasse von Edelmenschen zu schenken - Nietzsche und Karl May lassen grüßen. In Limonows dichterisch-politischer Radikalopposition sind Freiheit, erotische Erfüllung und ewige Jugend eins und führen automatisch zur Weltherrschaft. Die Rebellion darf niemals enden, denn: "Ein gesundes, wildes Tier wehrt sich, wenn man es in den Käfig sperrt."
Limonow ist eine klassische Figur aus der Ahnenreihe verantwortungsloser Kunstwüstlinge, wie sie die Volksbühne seit vielen Jahren bevölkern. Mit ihm schlägt Frank Castorf den Bogen von Rimbaud und Verlaine ("Das trunkene Schiff", 1988) über Céline ("Nord", 2007) in eine bessere, schönere Theaterzukunft. Aber dem Rausch des gesunden Übermenschentums muss der Kater folgen, die posterotische Melancholie. Auch davon handelt "Fuck off, Amerika".
Mit: Rosalind Baffoe, Max Hopp, Irina Kastrinidis, Sebastian König, Christoph Letkowski, Sophie Rois, Sir Henry, Volker Spengler und Axel Wandtke
Regie: Frank Castorf
"Der genialische Schundroman bietet durchaus Stoff fürs Castorf-Theater, erzählt er doch vom Leben der Erniedrigten und Beleidigten, von Huren und Pennern, Möbelpackern und Kleinkriminellen und quillt dabei geradezu über von der Liebe für den abgewrackten Teil des Menschengeschlechts." (nachtkritik.de)
"Es ist eine hübsch verlotterte Welt, die hier beschrieben wird, und das erstaunlichste in ihr ist die manische Aufgekratzheit und penetrant gute Laune, mit der alle herumtoben. So beherzt unter Dampf und gut gelaunt waren sie in Volksbühne schon lang nicht mehr am Werk." (Spiegel)
"Wie ein sinkender Luxusdampfer ragt das weiße Showpodest aus dem Boden und könnte gleichzeitig die Tribüne des kippenden Leninmausoleums sein. Tote Welten mit kleinen, rauchenden Vulkanen drum herum, die daran erinnern, dass es irgendwo Lebendiges gibt, dessen große Freiheit aber zugleich große Zerstörung verheißt.
Und fast könnte man sagen, das alles sei nur hübsch illustrativ, doch legt diese Bühne im Gegenteil den Kern frei für alle Visionen und Projektionen, die dann nur wie Schatten darüber huschen oder daran abprallen. Am Ende dreht eine riesige Puzzlewand heran, aus der plötzlich all die verschiedenen Steinchen fallen. Als seis ein Anfang." (Berliner Zeitung)
"Es funktioniert wieder. Im Ansatz vielleicht nur und etwas anders als bisher. Aber es gibt wieder Lebensgefühl auf der Volksbühnen-Bühne." (Frankfurter Rundschau)
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