Jeden Sommer kehrt die Schauspielerin Arkadina auf das Familiengut in der Provinz zurück und erholt sich in dem kleinen Paradies am See von den Strapazen des Bühnenlebens. Diesmal bringt sie Trigorin mit, einen Schriftsteller von Renommee aus Moskau. Arkadinas Sohn Kostja, kürzlich aus nicht öffentlich diskutierten Gründen der Universität verwiesen, buhlt um die Aufmerksamkeit seiner Mutter mit eigener Kunst: er hat ein Theaterstück »neuer Form« geschrieben, das er mit seiner Freundin Nina heimlich geprobt hat und nun am See unterm nächtlichen Mond triumphal zum Erfolg führen möchte. Der Plan mißlingt; Kostja verfehlt die Zustimmung seiner Mutter. Und er verliert Nina - wie seine Mutter wendet auch sie sich Trigorin zu, dem berühmten Nebenbuhler. Ein Versuch, sich umzubringen, beschert ihm für einen Moment die ersehnte Zuneigung der Mutter. Aber die Arkadina ist schon wieder in Abreise begriffen. Sie und Trigorin kehren als Paar zurück nach Moskau. Nina wird ebenfalls gehen. Sie wird das Gefängnis der Provinz und ihres Elternhauses verlassen, Trigorin in die große Stadt folgen und Schauspielerin werden - leben! Kostja bleibt auf dem Gut zurück.
Zwei Jahre später ist aus Kostja ein einsamer junger Schriftsteller geworden. Als seine Mutter mit Trigorin für den Sommer aus der Stadt anreist, findet sich auch Nina zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch wieder ein. Die alten Rituale des Sommers scheinen sich zu wiederholen, aber für die Jungen, für Nina und Kostja, hat das Leben seine Verheißung verloren ...
Der Arzt und Dramatiker Tschechow untersucht in der Zeit des großen politischen und sozialen Umbruchs der russischen Jahrhundertwende und der 1905er Revolution in seinen Stücken mit der Liebe zugleich und dem analytischen Blick des Mediziners die komplizierten inneren Bewegungen und Lebensversuche der Menschen einer Wendezeit. Alle seine Figuren kämpfen mit der Sehnsucht, ihrer Zeit gerecht zu werden, Großes und Gutes zu schaffen, sich als wahrhaftige Menschen zu erweisen, Erfolg zu haben, gesehen und geliebt zu werden wie sie sind. "Die Möwe" bedeutete den künstlerischen Durchbruch Tschechows; sie gehört zu den meistgespielten Werken Tschechows, der dieses wie alle seine Stücke als Komödie verstand.
Regie: Tobias Wellemeyer
"Welch ein verzweifelt schönes Bild der Vergeblichkeit! Jener Scheinwerfer, den Mascha am Anfang aus den Kulissen auf eine längst ausgeleuchtete Bühne schleppt, soll eigentlich nur die Szene für Kostjas Theaterstück beleuchten - und ist doch zugleich ein modernes Äquivalent zur Laterne des Diogenes. So nämlich, wie der griechische Philosoph die Athener mit kleinem Licht unter großer Sonne anstrahlte, wird es an diesem Abend auch Tobias Wellemeyer halten. Das antike Bonmot ,Ich suche einen Menschen, könnte als Motto über seiner Inszenierung von Tschechows ,Möwe am Theater Magdeburg stehen.
Freilich bleibt es die wichtigste Verabredung dieser traurigen Komödie, dass sich alle Figuren wechselseitig blenden und ihr Gegenüber daher nicht erkennen können. Diese Einsicht sorgt in Magdeburg dafür, dass die Sympathie - also das Mitleid - gleichmäßig verteilt wird, was zu einer unparteiischen Lesart führt. Den pathetischen Schulterschluss mit den Jungen versagt sich das Ensemble ebenso wie das larmoyante Einverständnis mit den Alten. Die Wahrheit, das Leben liegt in der leeren Mitte." (Mitteldeutsche Zeitung)
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